Ende Januar wurde in vielen Veranstaltungen an die Übertragung der Macht an Adolf Hitler in der Weimarer Republik erinnert. Wie war es vor 90 Jahren möglich, dass in wenigen Monaten aus einer Demokratie eine Diktatur wurde.
Der 30. Januar 1933 mahnt uns wachsam zu sein und die Demokratie zu schützen. In diesem Sinne fand auch im Herbst eine Podiumsdiskussion mit Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. und ehemaliger Präsident des Bundestags, und Burak Yilmaz, Pädagoge und Autor des Buches „Ehrensache: Kämpfen gegen Judenhass“, statt.
In welchem Zustand befindet sich unsere Gesellschaft und vor welchen Herausforderungen steht unsere Demokratie? Zunehmende Hetze, beispielsweise in den Sozialen Medien, offener Hass gegen Andersdenkende oder Mitglieder von Religionsgemeinschaften, Anfeindungen gegen politische und gesellschaftliche Verantwortungsträger, Pressevertreter oder Rettungskräfte lassen eine Verrohung erkennen. Oft wird gar eine „Spaltung“ postuliert. Inwiefern erdulden wir als Gesellschaft diese Tendenzen? Senken wir die Hemmschwelle des Zumutbaren immer weiter herab? Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Lassen wir es zu, dass bestimmte Personengruppen in unserem Land Angst um ihre Sicherheit oder gar um ihr Leben haben müssen? Wir sind gefordert, denn eine Demokratie braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen möchten.
Prof. Dr. Lammert hob an aktuellen Statistiken und Umfragen hervor, dass es um den Zusammenhalt in unserer Demokratie nicht so schlecht steht, wie häufig behauptet wird. Die Demokratie sei aber nicht selbstverständlich und auf die Mitarbeit aller angewiesen. Um diesen Zusammenhang zu unterstreichen, griff er ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog auf: „Es gibt viele demokratische Tugenden, Bequemlichkeit gehört nicht dazu.“ Eine Spaltung der Gesellschaft, so führte Prof. Dr. Lammert aus, befürchte er nicht, aber der Begriff Meinungsfreiheit würde missverständlich gebraucht. Es ginge im Zusammenhang mit dem Begriff Meinungsfreiheit gerade darum, seine Meinung nicht absolut zu setzen, sondern die Meinung anderer anzuhören, abzuwägen und zu akzeptieren. Außerdem zeigte sich Prof. Dr. Lammert besorgt, dass es im demokratischen Exkurs vielfache Meinungen zu Themen gebe, mit denen man sich vorab gar nicht oder nur ungenügend beschäftigt habe.
Burak Yilmaz empfand die Zustandsbeschreibung der Demokratie von Prof. Dr. Lammert zutreffend, betonte aber stärker als Prof. Dr. Lammert die Bedeutung von Social Media für die Demokratie und die Meinungsbildung, insbesondere für zukünftige Generation. Burak Yilmaz berichtete, dass er in den letzten Monaten verstärkt mit Jugendlichen in Kontakt gekommen sei, die ihm zunehmende Radikalisierungstendenzen wie z.B. zum Thema Impfen schilderten. Burak Yilmaz unterstrich die Notwendigkeit, dass Institutionen und die unterschiedlichen Generationen mit Jugendlichen über ihren Konsum von Social Media kritisch in den Austausch kommen und bleiben müssten. Prof. Dr. Lammert führte zur Bedeutung der Social Media aus, dass er Ziel gerade nicht die Vermittlung differenzierte Meinungen sei, sondern er nur darum ginge, was die Mehrheit interessiert und gerne hören möchte.
Am Ende der Veranstaltung waren die Diskutanten und die Zuhörerschaft sich einig, dass die Demokratie nicht selbstverständlich sei. Die Demokratie müsse jeden Tag neu erarbeitet und verteidigt werden.